Warst du schon mal im Chiemgau? Falls nicht, kann ich dir nur empfehlen, das nachzuholen. Das Chiemgau ist die Gegend rund um den namensgebenden Chiemsee und gehört für mich zu den schönsten Bergregionen in den bayerischen Alpen. Gut, vielleicht bin ich da etwas voreingenommen, weil ein Großteil meiner Familie dort wohnt und für mich von klein auf das Wort “Berge” mit dem Blick aus der Küche meiner Großmutter auf den Hochgern verknüpft war. Aber auch heute noch strahlen für mich die sanften, grün bewaldeten Gipfel eine ganz besondere Idylle aus. Die Chiemgauer Alpen mögen zwar nicht so hoch sein wie die Allgäuer Alpen oder das Wettersteingebirge, aber mit markanten Gipeln wie der Kampenwand oder dem Hochfelln sind sie sicher nicht minder imposant. Und so genieße ich es jedes Mal, wenn wir uns die Zeit nehmen und ein Wochenende am Chiemsee in der kleinen Ferienwohnung meiner Mutter verbringen.
Dieses Jahr waren wir am Pfingstwochenende im Mai dort, und obwohl das Wetter nicht ganz so wollte wie wir, konnten wir doch immerhin zwei Wanderungen unternehmen. Eine davon führte uns über den Schmugglerweg bis kurz hinter die österreichische Grenze zur Entenlochklamm und dem Klobenstein, wo sich die Ache wirklich äußerst pittoresk durch die Felsen schlängelt. Diese Wanderung ist mit knapp 10 km Länge wunderbar geeignet, wenn man mit Kindern unterwegs ist, nicht besonders bergerfahren ist oder einfach nur keinen ganzen Tag Zeit hat, und ist trotzdem ein richtiges Highlight in der Region. Zum Einen, weil der Weg wirklich traumhaft schön über Wiesen und bequeme Waldwege führt. Zum Andern, weil das Ziel – die Entenlochklamm – mit gleich zwei Hängebrücken und einem waschechten Wunder einen Besuch wirklich lohnt. So kommt man ohne größere Strapazen zu einem genussvollen Bergerlebnis. Einziges Manko dieser Wanderung ist meiner Meinung nach die Tatsache, dass es sich nicht um einen Rundweg handelt und man daher denselben Weg zurücklaufen muss, den man gekommen ist. Aber das ist bei der schönen Strecke dann doch Jammern auf sehr hohem Niveau.
Offizieller Startpunkt des Schmugglerweges ist am zentralen Platz des kleinen Ortes Schleching, wir haben allerdings ein wenig abgekürzt und sind vom Wanderparkplatz an der Geigelsteinbahn (die nicht mehr in Betrieb ist) aus losgelaufen. Von dort führt der sehr gut ausgeschilderte und wirklich toll in Stand gehaltene Wanderweg zunächst durch saftige Wiesen, dann durch einen Bergwald mit hier und da einer kleinen Lichtung stetig aber meist nicht besonders steil bergauf. Seinen Namen trägt der Schmugglerweg übrigens nicht von Ungefähr, denn tatsächlich diente der Weg früher nicht ganz ehrlichen Gesellen als “Handelsstraße” vorbei an den offiziellen Grenzübergängen nach Österreich. Als Kind fand ich diesen Aspekt natürlich wahnsinnig spannend und allein der Name des Weges machte ihn schon zu einem meiner Favoriten. Über die zwielichtige Vergangenheit des Schmugglerweges berichten auch einige Infotafeln am Wegrand.
Kurz vor dem Ziel erreichen wir dann den höchsten Punkt der Wanderung und gleichzeitig auch die Grenze zu Österreich. Von hier hat man einen schönen Blick auf die umliegende Bergwelt und je weiter man nun wieder bergab läuft, desto näher kommt man auch schon der Ache, die sich hier über tausende von Jahren ihren Weg durch den Fels gebahnt hat und die Klamm so langsam aber stetig geschaffen hat. Der Flusslauf und die steilen Felswände sind hier wirklich beeindruckend. Ein besonderes Highlight sind die zwei Hängebrücken, die hoch über die Ache hinweg führen und den Wanderer so sicher und äußerst aussichtsreich ans Ziel bringen. Überreste der vorigen Brücke sind auch gleichzeitig eine Erinnerung daran, dass die Ache hier bei Hochwasser einen deutlich höheren Stand hat und zerstörerische Kräfte entwickelt. Und die Strömungen des Flusses hier sind zu jeder Jahreszeit nicht zu unterschätzen. Bei unserem Besuch fließt sie jedoch einigermaßen friedlich, wenn auch nicht ganz so klar wie im Sommer, zwischen den Kiesbänken entlang. Bei meinem letzten Besuch im Sommer strahlte die Ache in einem atemberaubenden Türkisblau.
Nun aber zu dem waschechten Wunder, das ich vorhin erwähnt habe. Am gegenüberliegenden Ufer der Klamm erwartet uns nämlich der Klobenstein. Der Legende nach war hier eine Frau auf dem Weg vom österreichischen Kössen ins deutsche Marquartstein, als sich ein Felsen vom Berg löste und auf sie zu fiel. In ihrer Not rief die Frau die Mutter Gottes um Hilfe. Ihr Gebet wurde erhört, denn der Stein zerbrach in zwei Teile, die links und rechts von der Frau landeten. Und eben diesen Stein kann man heute noch besichtigen und sogar zwischen den beiden Hälften hindurchgehen. Ob man der Legende nun Glauben schenken mag oder nicht, der Felsen ist auf jeden Fall beeindruckend. Außerdem gibt es hier noch eine süße kleine Kapelle zu besichtigen und – wie es sich für das Ziel einer Wanderung gehört – auch eine Gastwirtschaft für hungrige Wanderer. Auch wir haben hier eine wohlverdiente Pause eingelegt, die Füße im kalten Fluss abgekühlt und uns die Zeit mit Steine Flitschen vertrieben. Das geht hier nämlich ganz hervorragend.
Zurück geht es über die zweite Hängebrücke, die erst vor Kurzem gebaut wurde und noch höher als die erste über die Ache führt. Wer mit Höhen ein Problem hat, kann aber auch die gleiche Brücke zurück nehmen, die er gekommen ist. Für diejenigen, die nicht gut zu Fuß sind, bietet sich übrigens auch die Möglichkeit, mit dem Auto direkt zum Klobenstein zu fahren. So verpasst man zwar die idyllische Wanderung, kann aber zumindest die Klamm und den Felsen begutachten. Insgesamt kann ich diese Tour jedem empfehlen, der Spaß an kleinen Abenteuern, Sagen und Legenden hat. Besonders für Kinder ist diese Wanderung mit Sicherheit ein Erlebnis.
Tourdaten (Hin und Zurück):
Länge: 9,6 km
Dauer: 2 Stunden, 45 Mintuten bei gemütlichem Lauftempo
Höhenmeter: 320
Start- und Endpunkt: Parkplatz Geigelsteinbahn, Schleching