Warum Rumänien?
Als meine Freundinnen aus Au-Pair-Zeiten und ich 2019 beschlossen, im Herbst eine Woche durch Rumänien zu reisen, war das wohl die häufigste Reaktion auf unser Vorhaben. Rumänien ist nunmal für uns Deutsche ein eher ungewöhnliches Ziel, wenn man nicht gerade Verwandtschaft dort hat.
Meine Antwort vor der Reise? Weil wir ein Ziel in Europa gesucht hatten, das keine von uns dreien bisher bereist hat, und die Auswahl hier mittlerweile eher begrenzt ist. Rumänien war für uns ein Land, das jede als Reiseziel irgendwie im Hinterkopf hatte, aber bei niemandem ganz oben auf der Liste war. Außerdem ist Rumänien günstig und von Deutschland und Österreich aus gut und schnell zu erreichen. Die Entscheidung war gefallen.
Meine Antwort nach der Reise? Weil Rumänien ein Land mit einem ganz eigenen Flair ist, den zu erleben sich wirklich lohnt. Durch die vergleichsweise geringe Anzahl an Touristen hat Rumänien sich seinen ursprünglichen Charme bislang größtenteils bewahren können und gibt dem Besucher so die Chance, einen sehr authentischen Eindruck vom Land und seinen Bewohnern zu gewinnen. Außerdem hat Rumänien von traumhaften Stränden, über lebhafte Städte bis hin zu Berglandschaften und mystischen Schlössern, wirklich für jeden Geschmack etwas zu bieten. Unsere Rundreise durch den südlichen Teil des Landes hat uns durch Landschaften geführt, die gegensätzlicher nicht sein könnten, und doch hat jede für sich uns fasziniert und begeistert.
Unsere Route
Zu Beginn unserer Urlaubsplanung durfte jede ihre Must-Sees in Rumänien auflisten, die wir dann zu einem fünftägigen Roadtrip mit Start und Ende in Bukarest, der Hauptstadt Rumäniens, verknüpft haben. Folgende Ziele standen auf der Liste:
- Bukarest
- Brașov
- Dracula-Schloss Bran
- Schloss Peleș
- Donau-Delta
- Schwarzes Meer
- altes Kasino in Constanța
Und so sah die fertige Route aus:
Natürlich konnten wir in unserer sehr begrenzten Zeit vor Ort unmöglich das ganze Land abfahren, Rumänien ist nämlich ziemlich groß. Glücklicherweise waren aber alle unsere Wunschziele im südlichen Teil des Landes, sodass unsere Route in fünf Tagen gut machbar war. Wir hätten aber problemlos auch doppelt so viel Zeit allein in diesem kleinen Teil von Rumänien verbringen können, ohne dass es langweilig geworden wäre.
Das Fortbewegungsmittel unserer Wahl war nach einigem Überlegen ein Mietwagen, den wir direkt am Flughafen in Bukarest in Empfang nahmen. Eigentlich versuchen wir auf Reisen immer, ausschließlich die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen, in diesem Fall schien uns der Mietwagen aber die beste Option. Zum einen aufgrund der eher negativen Erfahrungsberichten über die rumänischen Öffis. Zum Anderen aufgrund der Tatsache, dass wir jede Nacht in einer anderen Unterkunft schlafen würden und daher immer unser komplettes Gepäck für die Woche an Bord haben würden. Ich würde diese Lösung auch jedem empfehlen, der eine Reise nach Rumänien plant, da die verschiedenen Sehenswürdigkeiten meist sehr weit auseinander liegen und nur die größeren Städte gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sind. Sehr gewöhnungsbedürftig für jemanden, der die deutsche Verkehrsordnung gewöhnt ist, dürfte jedoch der Verkehr in Rumänien sein. Vor allem in den Städten war die Fahrt jedes Mal sehr abenteuerlich.
Tag 1: Bukarest – Brașov, 154 km
Am ersten Tag fahren wir von der Hauptstadt Bukarest nach Norden in die Region Siebenbürgen, besser bekannt als Transsilvanien. Dieser Teil des Landes ist geprägt durch die Karpaten, ein Gebirge, das sich durch einen Großteil von Rumänien zieht. Durch seine ausgedehnten Wälder, in denen Bären und Wölfe leben, mittelalterliche Burgen und zahlreiche Legenden über Vampire und andere übernatürliche Wesen, wird man als Besucher unweigerlich von der mystischen Atmosphäre erfasst. Unser Tagesziel ist die kleine Stadt Brașov, die uns mit ihrem barocken Marktplatz umringt von bunten Häusern sofort begeistert. Wir spazieren entspannt durch die hübschen Gassen und genießen das “heile-Welt-Flair” dieser süßen Kleinstadt.
Tag 2: Brașov – Schloss Bran – Schloss Peleș – Tulcea, 429 km
Heute steht die längste Etappe der Woche an, doch um die lange Fahrt zu entzerren, haben wir zwei Zwischenstopps eingeplant. Unsere erste Station ist eine Sehenswürdigkeit, die wir alle drei auf der Liste hatten – Schloss Bran. Bekannt als das Schloss, auf dem der berüchtigte Graf Dracula sein Unwesen getrieben haben soll (obwohl Fürst Vlad III., die Vorlage für Bram Strokers Romanfigur, tatsächlich nie auf der Burg gewohnt hat), ist Schloss Bran das Wahrzeichen Rumäniens schlechthin und ein Besuch der Burg quasi obligatorischer Bestandteil jedes Rumänien-Roadtrips. Einher mit diesem Hype um das Schloss geht leider auch die Tatsache, dass hier alles auf Tourismus ausgerichtet ist. Der Weg zum Schloss ist gesäumt mit Verkaufsständen, die typische Souvenirs anbieten, von Idylle keine Spur. Bei unserem Besuch in der Nebensaison ist schon ziemlich viel los, in der Hauptsaison muss man sich sicher auf längere Wartezeiten einstellen. Insgesamt hatten wir uns das Schloss düsterer und gruseliger vorgestellt, tatsächlich ist es mehr ein Museum über das Mittelalter in Rumänien. Trotzdem ist Schloss Bran an sich, mit seiner exponierten Lage auf dem Fels, eingebettet in sanft bewaldete Hügel, die im Herbst in den schönsten Farben strahlen, natürlich eine Augenweide und durchaus sehenswert. Das Highlight unseres Roadtrips ist Schloss Bran aber nicht.
Mir persönlich gefällt das zweite Schloss, das wir an diesem Tag besichtigen, besser. Das Hohenzollern-Schloss Peleș sieht mit seinen vielen Türmchen und Erkern aus, als wäre es geradewegs einem Märchen entsprungen. Zwar können wir das Schloss an diesem Tag leider nicht von innen besichtigen, der kleine Spaziergang dorthin und zurück ist aber die perfekte Pause von der Straße auf dem Weg ans Schwarze Meer.
Nach diesem zweiten Zwischenstopp verlassen wir nun endgültig Transsilvanien und fahren einmal quer durch die Walachei. Im krassen Gegensatz zu Transsilvanien ist die Landschaft hier vor allem durch eines geprägt – Leere. Noch nie zuvor habe ich über so weite Strecken einfach nichts gesehen, keine Städte, keine Bäume, keine Hügel. Ab und an überholen wir eine Ochsenkutsche. Die wenigen Orte, durch die wir fahren, scheinen aus einer Straße zu bestehen, an deren Rand kleine Häuschen aufgereiht sind. Davor sitzen alte Menschen und unterhalten sich, spielen Karten oder beobachten den kaum vorhandenen Verkehr. Wir fühlen uns, als wären wir zurück in die Vergangenheit gefahren. Alles wirkt genau so, wie man sich die “gute, alte Zeit” eben vorstellt. Viel zu entdecken gibt es hier scheinbar nicht, trotzdem genießen wir die Fahrt und freuen uns schon ein bisschen auf unser Abenteuer am nächsten Tag.
Tag 3: Tulcea – Mamaia, 125 km
Dieser Tag, mit unserer privaten Bootsfahrt durch das Labyrinth aus Wasserwegen im Donaudelta, ist für mich das Highlight unseres Urlaubs in Rumänien und ein absoluter Marmeladenglasmoment. Daher werde ich diesem Erlebnis in Kürze einen eigenen Artikel widmen, weil ich mich zu diesem Abenteuer einfach nicht kurz fassen kann und will. Ich hoffe, ihr könnt euch gedulden und verspreche, es lohnt sich 🙂
Nach unserem Ausflug in die grüne Lunge Rumäniens fahren wir weiter ins komplette Gegenteil. Wir kommen endlich an am Schwarzen Meer und übernachten in der Touristenhochburg Mamaia, wo sich Hotel an Apartmentblock reiht und von Natur und Idylle wirklich weit und breit nichts zu sehen ist. Wie man hier seinen Sommerurlaub verbringen kann, ist mir schleierhaft. Noch verblüffender finde ich allerdings die Tatsache, dass in der Nebensaison tatsächlich wirklich absolut gar nichts los ist. Nicht einmal alle Supermärkte sind geöffnet und nur nach langem Suchen finden wir ein geöffnetes Restaurant, dessen Besitzer extra für uns die Küche schmutzig macht.
Tag 4: Mamaia – Constanța – Bukarest, 240 km
Da Mamaia so gar nicht unserer romantisierten Vorstellung vom Schwarzen Meer entspricht, machen wir vor unserer Rückkehr nach Bukarest noch einen Abstecher zu einem Geheimtipp, den mir meine rumänische Arbeitskollegin empfohlen hat. Und da ist er wieder, der krasse Gegensatz. Nur wenige Kilometer nördlich von Mamaia landen wir an einem Strand, wie man ihn sich schöner nicht träumen kann. Feinster Sand, durch sanfte Dünen vom angrenzenden Ort abgetrennt, weit und breit kein Mensch zu sehen, nur ein einsamer Wohnwagen, der irgendwie perfekt ins Bild passt. Besonders toll finde ich auch die vielen Schnecken und Muscheln am Strand und bin mal wieder einfach nur glücklich, dass wir hier sind.
Noch einen letzten kleinen Umweg machen wir ins Zentrum der Hafenstadt Constanța, weil uns ein weiteres Postkartenmotiv nicht aus dem Kopf geht – das alte Casino am Meer. Und tatsächlich sieht es in Wirklichkeit genauso faszinierend aus wie auf den Bildern. Irgendwie fesselt mich der Anblick, eine Mischung aus Ehrfurcht vor dem alten Gebäude beim Gedanken an seine prunkvolle Vergangenheit, und Traurigkeit darüber, dass dieses schöne Gemäuer so vernachlässigt wurde. Wobei, auf den Bildern macht sich der verfallene Charme des Casinos eindeutig gut.
Nun geht es aber endgültig zurück in die Hauptstadt, wo wir die letzten 1,5 Tage unseres Urlaubs verbringen. Auch zu meinem Eindruck von Bukarest und meinen Tipps für Rumäniens Hauptstadt wird es einen eigenen Artikel geben, den ihr ganz bald zu lesen bekommt. Der Rahmen dieses Beitrags würde durch die Fülle an Informationen eindeutig gesprengt werden.
Mein Fazit
Während meines füngftägigen Roadtrips durch Rumänien habe ich zwar nur einen kleinen Teil des Landes zu sehen bekommen, dieser hat mich aber schwer begeistert. Ich bin mir sicher, wenn du wie ich Abenteuer im Grünen liebst und nicht auf Massentourismus stehst, wirst auch du Rumänien ins Herz schließen. Und eines kann ich sicher sagen – das war nicht mein letzter Besuch in diesem schönen Land, denn ein Wanderurlaub in den Karpaten wurde schon zu unserer Bucketlist hinzugefügt.
Und wie sieht es bei dir aus? Welches Land hat dein Herz im Sturm erobert, obwohl du gar nicht damit gerechnet hast? Lass es uns gerne wissen, wir sind immer auf der Suche nach neuen Geheimtipps 😉